Familiengeschichte

Das Album meines Vaters

 

Hier ein paar interessante Blätter und Fotos aus dem Album meines Vaters:

 

1 Friedrich Wolf, Sohn eines Cölber Großbauern, besuchte als Verwaltungsmaat des Schlachtschiffes "Scharnhorst" 1940 u.a. Berlin und Potsdam. Er sah auch Schloss Sanssouci, den Handlungsort vieler Kapitel meiner historisierenden Kriminalromane. Mitte rechts steht er, erster von rechts. Politisch war er eher gemäßigt, preußisch-soldatisch-konservatisch. Links in der Mitte auf dem Albumblatt sieht man im Hintergrund die Potsdamer Garnisonkirche. Fünf Jahre später brannte sie nach einem Luftangriff aus, als das Feuer des benachbarten Langen Stalls durch Funkenflug auf sie übergriff. Die Marineführung wollte mit diesem Besuch an historischen Stätten die Kampfmoral der Truppe weiter stärken. Bei diesen auf Höchstform getrimmten Marines schien das aber kaum nötig gewesen zu sein.

 

2 Das waren keine Übungen ... Notiz meines Vaters auf der Rückseite der Fotos: Gefecht mit englischen Flugzeugen; 2 von unserer Flak auf hoher See abgeschossene englische Flieger. Im rechtslastigen Deutschen Soldatenkalender schrieb der erst 1955 aus "lebenslanger" Haft vorzeitig entlassene "Großadmiral" Raeder das Vorwort. Er hatte auch 1942 zur Besatzung der Scharnhorst gesprochen, um ihnen das Letzte an Einsatzwillen abzuringen. Mein Vater war auf Landurlaub, als die Scharnhorst am 26. Dezember 1943 vom britischen Schlachtschiff Duke of York und weiteren Zerstörern unter Lord Frazer versenkt wurde. Hätte er auf seine Gefechtspause verzichtet, wäre die Chance für die künftige Existenz diese Homepage gering gewesen. Von den 1.968 Mann Besatzung (1943) überlebten nur 36.  

 

 

Ein ewiggestriger Vorgesetzter meines Vaters berichtete:
Scharnhorst _Soldatenkalender 1958_.pdf
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3 Fritz Wolf im Schießstand; da war er noch bei den "Uniformierten". Es steht wieder ganz rechts, sieht in seinem langen Mantel noch immer mehr nach Offizier aus, als nach Polizist. Das untere Bild zeigt, dass der Polizeialltag in den Fünfzigern noch seine Freiräume hatte. 

 

4 Ein Mord, der wenige Häuser von meinem Geburtshaus entfernt stattfand. Ich war noch nicht auf der Welt, dennoch: Daran musste ich bei dem flapsigen Titel der RBB-Reportage über mich zuerst denken: "Gleich um die Ecke ... gebracht!" Die Bad Homburger Bevölkerung hatte in ihrem ungesunden Rechtsempfinden die abgeschaffte Todesstrafe eigenhändig wieder einführen wollen, wenn man dem reißerischen Lokalberichterstatter glauben will. "Schwerer Landregen erstickte die Todesschreie ..." Uff!  

 

5 Vater als Kripobeamter im Personenschutz, 1960 bei der offiziellen Weihe des Siamesischen Tempels im Kurpark von Bad Homburg vor der Höhe. Ganz rechts (wo sonst?) mein Vater mit kleinem Anstecker (alle trugen zur Erkennung ihr goldenes Sportabzeichen!). Links folgen nach zwei wichtig tuenden, aber hier namenlosen Herrn: König Bhumibol Adulyadej (Rama IX) und der Bad Homburger Oberbürgermeister Horn.

 

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Die Mappe meines Großvaters

 

Peter Löchel, mein Großvater mütterlicherseits, war gelernter Buchdrucker. Viele seiner Zeugnisse und Briefe haben sich erhalten. Hier nur ein kleiner Einblick. Es sind aussagekräftige und größtenteils wunderschöne Drucksachen.


Geb. am 26. März 1896 zu Cölbe/Lahn, beendete Peter Löchel die Schule am 27. Februar 1914. Nach der Volksschule in Cölbe hatte er die gewerbliche Fortbildungsschule in Marburg absolviert (Ostern 1910 bis Ostern 1913) und nach vier Jahren als Buchdruckergeselle bei Heinrich Bauer, Marburg, am 17. April 1914 seine Gesellenprüfung bestanden. (1) Der Lehrling arbeitete zunächst als Setzer bei Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt am Main (25.Oktober bis 4. Dezember 1915), wechselte dann zur Frankfurter Societäts-Druckerei (2), wo er bis zu seinem Einzug ins Militär tätig war (6. Dezember 1915 - 6. Januar 1917).

 

Nach anfänglicher Zugehörigkeit zum 1. Nassauischen Feldartillerieregiment No. 27 (Granaten, II. Ersatzabt., 3. Ersatzbatterie) war er in der 7. Batterie des Feldartillerieregiments No. 61 (3) und nahm an 10 Gefechten teil, u.a. an der Kämpfen in der Siegfriedstellung, der dritten Flandernschlacht, an der Schlacht bei Cambrai und an der Großen Schlacht in Frankreich. (4) Laut Militärpass verließ er die Königlich Preußische Armee mit EK II als Gefreiter der II. Abteilung des 1. Kurhessischen Feldartillerieregiments No. 12 am 5. Dezember 1918 (5).

 

In Marburg, wo er gelernt hatte, schrieb ihm sein einstiger Lehrmeister 1919 eine Empfehlung, mit der es ihm gelang, in Bad Homburg vor der Höhe, in der Gutenberg-Druckerei (6) Arbeit als Schriftsetzer zu finden (1920-21). Nach einem Intermezzo in der Frankfurter Geschäftsbücher-Fabrik (1921-22) und kurzen Gastspielen bei J.G. Steinhäusser/Bad Homburg (7) und Carl Theis, Frankfurt am Main  (1922, 1923; entlassen in beiden Fällen wegen Arbeitsmangels) verließ er auch C. Naumann's Druckerei in Frankfurt (8) schon nach einem halben Jahr am 8. Dezember 1923 "auf eigenen Wunsch". Seine abgeführte Lohnsteuer belief sich auf inflationäre 6.868.596.211.590,00 Mark (9). Eine Lücke in den Zeugnissen klafft bis 1927, als er in der Union-Druckerei und Verlagsanstalt als Drucksachenkalkulator Arbeit fand. Hier blieb er, bis die Nazis 1933 das Unternehmen schlossen (10/11).

 

 

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1899 übernahmen die hessischen Sozialdemokraten die Druckerei "Schmidt & Kobisch" in Frankfurt am Main, um ihre Tageszeitung, die "Volksstimme", in dem zur "Union-Druckerei und Verlagsanstalt GmbH" umfirmierten Unternehmen unabhängig produzieren zu können. Am 5. Mai 1933 beschlagnahmte die Gestapo das Grundstück und versiegelte die Türen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Produktionsgelände zerstört. Eine gewerkschaftseigene Nachfolgegesellschaft wurde zuletzt von einer Investorengruppe übernommen und heißt heute apm. 

 

Damals war er in Bad Homburg längst verheiratet und Vorsitzender der SPD in Gonzenheim. Während des 12jährigen Nazireichs musste er sich wöchentlich beim Gauleiter melden, der glücklicherweise nur drei Häuser weiter wohnte und anscheinend kein Interesse daran hatte, den Roten Löchel ins Umerziehungslager zu stecken. 1939 wurde mein Elternhaus gebaut. Mein Vater, der Marinesoldat, war ab dieser Zeit häufiger zu Gast, und 1942 wurde dort meine Schwester geboren. Großmutter Marie war Hebamme und hat sie auf die Welt geholt.

 

Mein Großvater verstarb 1966. Zuletzt war er bis zu seinem Ruhestand in leitender Position bei Druck und Verlag Carl Zeuner KG in Bad Homburg tätig. Er war Stadtverordnetenvorsitzender und Vorsitzender mehrerer Vereine, u.a. des Gesangvereins und des Sportvereins Gonzenheim. Hier sieht man ihn (einmal ganz links stehend, einmal ganz rechts sitzend) im Kreis der Stadtverordneten: